Die Logik der Nicht-Logik by Andreas Kilian

Autor:Andreas Kilian
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Religion, Glaube

4. Die Logik der Nicht-Logik

Die Ursprünge der biologischen Adaptionen, auf denen unsere Spiritualität und somit indirekt unsere Religionen basieren, liegen im tiefsten Dunkel unserer Evolution. Wird davon ausgegangen, dass bereits das Hineinprojizieren von persönlich wirkenden Kräften und Geistwesen in natürliche Vorkommnisse und Ereignisse eine Form des Schutzes vor Raubtieren darstellt und diese Adaption durch Übersensibilität auch eine Form der Spiritualität hervorruft, so könnten bereits der letzte gemeinsame Vorfahre von Menschen und Schimpansen eventuell eine Vorstufe der spirituellen Erfahrungen besessen haben. Es ist müßig, exakte Zeitpunkte in der Evolution der Spiritualität festlegen zu wollen, zumal es niemals fossile Funde für diese Hypothesen geben wird. Vielleicht wird die Genetik im Laufe der nächsten Jahrzehnte Erkenntnisse über die Reihenfolge der Entstehung einzelner Adaptionen im menschlichen Gehirn aufspüren. Sicher ist bis dahin nur, dass bei der Anzahl von Adaptionen sehr lange Zeiträume zu berücksichtigen sind. Auch aus einem Wolf kann man nicht über Nacht einen Dackel züchten. Hierzu sind schon etliche Generationen unter schärfstem Selektionsdruck notwendig. Weiterhin muss sich eine positiv selektierte Eigenschaft über den Globus ausbreiten. Auch dies erfordert noch einmal zig Generationen unter anhaltendem Selektionsdruck. Gehen wir lieber von mehr als einer Eiszeit als Zeitraum zur Entstehung unserer Spiritualität aus.1 Waren die Spiritualität und die kommunikativen Austauschmöglichkeiten jedoch erst einmal vorhanden, so konnten sich die Lokal-Religionen relativ schnell kulturell auf dem Substrat der Gläubigen ausbreiten. Eine mutige Theorie zur Ausbreitung der religiösen Ansichten vertritt Matt Rossano von der Fakultät für Psychologie der Southeastern Louisiana University.2 Er geht von einer Naturkatastrophe aus. Vor ca. 73.000 Jahren brach der Vulkan Toba aus und hüllte die gesamte Erde für mehrere Jahre mit seinen Aschewolken ein. In dieser Kälteperiode starben die meisten Menschen aus.3 Genetische Untersuchungen weisen zudem darauf hin, dass sich der gesamte Genpool der Menschheit zu dieser Zeit aus maximal 2.000 fortpflanzungsfähigen Individuen zusammengesetzt haben muss.235 Rossano nimmt an, dass die Menschen überlebt haben, die sich auf neue Formen der Kooperation einließen und von ihren Kindern intuitives Denken lernten. Sie hätten an die Strafe von Göttern gedacht. Alternativ wäre es aber auch möglich, dass zufällig nur die überlebten, die am wenigsten von der Katastrophe abbekommen haben. Vielleicht waren dies die religiösen Menschen gewesen, die vorher noch keine Chance auf eine globale Ausbreitung gehabt hatten, nun aber mit ihren Kindern die Pandemie religiöser Ideen initiieren konnten.

Auch wenn die exakte Evolution einzelner Eigenschaften wohl für immer im Dunkel bleiben wird, so lassen sich dennoch plausible Annahmen treffen, in welcher Reihenfolge bestimmte Entwicklungen stattgefunden haben müssen. Ausgehend von den Vorteilen für das Individuum wird in den folgenden Abschnitten die hypothetische Evolution der Lüge und deren Vorteil für bestimmte Gruppenmitglieder unserer Vorfahren dargestellt. Auch die Nicht-Logik hat eine Evolution.

4.1 Die Evolution der Logik der Nicht-Logik

4.1.1 Vorteile für Individuen

Die Fähigkeit zum logischen und folgerichtigen Denken wurde beim Menschen durch die Gesetzmäßigkeiten der Natur selektiert. Lasse ich einen Gegenstand los und er fällt zu Boden, so kann das beim ersten Versuch noch als Zufall betrachtet werden. Der Gegenstand könnte theoretisch auch in die Luft fliegen. Beim zweiten Versuch ahnen wir schon, was passieren wird.

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